Fernweh - Heimweh

Getrieben durch finanzielle Not, haben meine beiden Grossväter am Ende des 19. Jahrhunderts beschlossen, ihr Heimatdorf Gelterkinden zu verlassen und ins Ausland auszuwandern. Der Vater meines Vaters entschied sich als 26-Jähriger, sein Glück in Amerika zu versuchen. Auf der Suche nach Arbeit bereiste er die Vereinigten Staaten und liess sich schliesslich als Cowboy bei deutschen Siedlern in Minnesota und Dakota nieder. Mein Grossvater mütterlicherseits entschied sich, der harten Arbeit am Posamentenstuhl zu entkommen, und emigrierte im Herbst 1892 nach Rosario, in Argentinien. Dort arbeitete er auf der Estancia der Familie Löffler, einen entfernten Verwandten. Vermutlich verspürten beide jungen Männer auch Fernweh und den Wunsch, etwas von der Welt zu sehen. Aus heutiger Sich würde man sie sehr wahrscheinlich trotzdem als Wirtschaftsflüchtlinge bezeichnen. 

Der Zufall wollte es, dass beide Grossväter, ganz unabhängig voneinander, sich entschieden nach Jahren «drüben» für einen kurzen Besuch zurück in die Heimat zu reisen. Während dieses Besuchs in der Schweiz heirateten beide und entschieden sich, in ihrer ursprünglichen Heimat wieder sesshaft zu werden. So kam es, dass meine beiden Eltern, Fritz Pümpin und Rösli Gerster, in der Schweiz auf die Welt kamen, wie auch später mein Bruder Cuno und ich.

Das Fernweh hat unsere Familie aber immer begleitet. Obwohl Fritz Pümpin als Kunstmaler für seine schönen Baselbieter Landschaften bekannt wurde, sind gerade diejenigen Bilder, die er auf seiner Reisen ins Ausland malte bemerkenswert und voller Sehnsucht. Sein Fernweh machte sich dadurch bemerkbar, dass er die Errungenschaften des Schweizer Luftfahrtpioniers Alfred Mittelholzer genau verfolgte. Jedes Mal, wenn ein Erstflug annonciert wurde und eine Sondermarke dazu ausgegeben wurde, schrieb mein Vater einen Brief mit einem erfundenen Adressaten. Als grosser Karl May-Fan kam es schon vor, dass er Briefe an «Herrn Hadschi Alef Omar, im grossen Basar zu Bagdad» schrieb. Die Briefe kamen wieder zurück, mit dem Vermerk «Adresse unbekannt» und einem Stempel von Bagdad auf der Rückseite!

Auch ich habe das «Fernweh-Gen» geerbt. Zwar habe ich noch nie Briefe an Herrn Hadschi Alef Omar geschrieben. Ich bin aber während dreissig Jahren als Geologe mit meiner Frau und meinen Töchtern rund um die Welt gereist, habe in Europa, Südamerika, Südostasien und Nordafrika gewohnt und gearbeitet. Wie meine beiden Grossvätern blieb ich aber im Ausland immer mit der Schweiz verbunden und bin nach meiner Pensionierung wieder im Baselbiet sesshaft geworden.

Volkmar Pümpin
Mr. Hadschi Halef Omar
Bagdad
Mesopotamie (Irak)
Rückseite des Briefs mit Stempeln aus Gelterkinden und Bagdad
Mr. Diogenes
Maison du grand fut
Athene

Brief mit den folgenden Stempeln: 
1926 November Mittelholzers Schweizer Afrikaflug; Zürich Flugpost.
Monsieur Aristoteles
Rue de l' Akropolis 4
Athene

Brief mit den folgenden Stempeln: 
1926 November Mittelholzers Schweizer Afrikaflug; Zürich Flugpost; ΑΓΝΩΣΓΩΣ Inconnu - Retour à l'envoyeur
Messieurs Halef-Achmed & Cie
Tapis orientales en gros
1, rue du Caire
Alexandrie

Brief mit den folgenden Stempeln: 1926 November Mittelholzers Schweizer Afrikaflug; Zürich Flugpost; Alexandria
Via Tokio
Herrn
Fritz Pümpin
Gelterkinden
Schweiz

Brief mit den folgenden Stempeln:
Luftschiff Graf Zeppelin Weltrundfahrt 1929;
Gelterkinden 15.VIII.29;
Friederichshafen 15AUG29 Luftpost;
Tokyo 19.8.29 Japan.

In diesen Briefen war oft eine Preisliste der Weinhandlung Fritz Pümpin enthalten
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