Die Regenbögen
Auch wenn ich ohne künstlerische Talente geboren bin, habe ich von meinem Grossvater und meinem Vater eine Bewunderung für die Natur mitbekommen, die mich dazu bewogen hat, Naturwissenschaftlerin zu werden. Ich war immer beindruckt von der Beobachtungsgabe meines Grossvaters. Seine Bilder zeigen nicht nur Wälder, Dörfer und Berge, sondern auch Licht und Bewegung.
Umso mehr war ich enttäuscht, als ich kürzlich im Archiv der Fritz Pümpin Stiftung dieses Bild mit seinen beiden Regenbögen entdeckte. Der erste Regenbogen ist korrekt dargestellt: die Farben verlaufen von violett zu rot. Der zweite Regenbogen ist aber einfach eine Wiederholung des ersten, Hauptregenbogens. In der Natur verlaufen die Farben im Nebenregenbogen umgekehrt, also von rot zu violett. Zudem steht bei einem Regenbogen die Sonne immer genau hinter dem Rücken des Beobachters. Die Schatten die von den Bäumen geworfen werden müssten sich also vom Beobachter entfernen.
Wie konnte es nur sein, dass mein Grossvater – dieser ausgezeichnete Beobachter der Natur – ein Bild so falsch gemalt hat? Erst als ich das Entstehungsjahr des Bildes sah, habe ich eine mögliche Antwort gefunden.
Das Bild entstand 1936, im selben Jahr wie die Hochzeit meines Grossvater Fritz Pümpin zu meiner Grossmutter Rösli Gerster. Ob das Bild vor oder nach der Trauung entstanden ist, lässt sich nicht nachvollziehen. Sehr wahrscheinlich hat mein Grossvater in einem Moment der Euphorie ein bestehendes und eher trübes Landschaftsbild mit zwei triumphierenden Hauptregenbögen übermalt. Diese Bild ist eindeutig nicht aus der Beobachtung der Natur entstanden – es gibt aber ein vorübergehenden Einblick in die innere Gefühlswelt von Fritz Pümpin in diesem ereignisreichen Jahr.
Barbara Stäuble-Pümpin